Als 1865 die zwei Gebäude auf dem ehemaligen Weinberg der Parzelle 87, der heutigen Fehrbelliner Straße 87, fertiggestellt wurden, bedachten die Zimmerleute das Haus in ihrem Richtspruch sicherlich mit guten Wünschen. Als wir, d.h. zunächst drei Leute, das leerstehende Quergebäude des Hauses 1991 „entdeckten“, taten wir das gleiche. Es waren pragmatische Gründe, uns zu bemühen, hier dauerhaft sesshaft zu werden: Für unsere damaligen, in der Umgebung gelegenen Wohnungen bestanden keine Mietverträge, außerdem hatten wir es alle irgendwann satt, im Winter das Klo ständig aufzutauen…
Zunächst war guter Rat teuer, die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WIP) wollte nichts mit uns zu tun haben, das Bezirksamt konnte nicht weiterhelfen. Nach Gesprächen mit S.T.E.R.N. und der Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung (BSM) landeten wir bei I.B.I.S. und fanden dort zunächst Orientierungsmöglichkeiten und später tatkräftige Hilfe. Ein Selbsthilfeprojekt sollte es also werden, wunderbar, alles klar! Was konnte denn nun noch schief gehen?
- Einen Verein zu gründen ist nicht schwer, die Eintragung dagegen sehr!
- I.B.I.S. musste zunächst als treuhänderischer Sanierungsträger vom Senat anerkannt werden.
- Plötzlich tauchte unser Haus auf der Liste des Leerstandbeseitigungsprogrammes (LEBE) auf, welches die klassische Selbsthilfe ausschließt (Belegungsrecht beim Bezirk).
- Es lagen drei Restitutionsanträge vor.
- Unsere Nachforschungen ergaben, dass das Grundstück „arisiert“ worden waren, jedoch offensichtlich keine lebenden Erben des letzten jüdischen Eigentümers existierten.
- Die Jewish Claims Conference (JCC) stellte einen Restitutionsantrag, wollte aber nicht an uns verpachten, sondern auf jeden Fall verkaufen.
- Inzwischen waren fast 2 Jahre vergangen und die WIP begann trotz gegenteiliger Zusage seitens des Baustadtrates im Rahmen von LEBE mit Baumaßnahmen am Quergebäude.
- Ein eilig zusammengerufener „ Runder Tisch“ brachte Erstaunliches zutage: Niemand wollte plötzlich etwas von einer Selbsthilfegruppe für diese Objekt gewusst haben, nicht S.T.E.R.N. und nicht der Bezirk – und ein Baustopp komme nicht in Frage.
- Inzwischen war die JCC Eigentümer geworden, wollte aber nicht mehr zum vom Bezirksamt ermittelten Verkehrsweg verkaufen, sondern nur für rund 300.000 DM mehr: für 960.000 DM.
- Keine Bank wollte uns eine Finanzierung für den Hauskauf zusagen (Begründung mangelnde Bonität).
Mittlerweile waren die Bewohner des Vorderhauses in das Projekt einbezogen und zum großen Teil Mitglieder des Hausvereins Monte e.V. geworden. Wir hatten noch eine Idee: Es gab eine kleine junge Genossenschaft in Prenzlauer Berg, an die wir uns wandten. Die SelbstBau e.G. bestand zum damaligen Zeitpunkt aus den beiden Häusern Rykestr. 13 und 14. Wir konnten zusammenkommen: Die SelbstBau e.G. erwarb das Haus, und wir konnten freudig der Baulichen Selbsthilfe entgegensehen.
Wer glaubte nun seien die gröbsten Hindernisse aus dem Weg geräumt, der sah sich getäuscht: “Was wollen Sie, Geld aus dem Selbsthilfeprogramm?” Nach zähem Ringen wurde uns das Geld für das Vorderhaus bewilligt, mit den von der WIP nicht verwendeten Mittel im Quergebäude aus dem LEBE-Programm mussten wir leben. Doch auch jetzt wurde uns nichts geschenkt, streckenweise mussten wir ohne die Anleitung kompetenter Fachleute auskommen, also uns in der Tat selbst helfen. Dass dies zu Missverständnissen, Fehler und Komplikationen führte, liegt auf der Hand.
Wir führten während des Baus folgende Regelungen ein: Die durch die Förderprogramme offengelassene Summe wurde durch die gesamte Wohnfläche geteilt, daraus wurde bei einer angenommenen Bauzeit von zwei Jahren eine wöchentlich zu leistende Selbsthilfestundenanzahl je Quadratmeter ermittelt, woraus sich für 35 qm Wohnfläche eine Wochenstundenanzahl von ca. 10,5 Stunden für eine Person ergibt. Aber ach, ein Altbau zeigt täglich aufs neue sein wahres Gesicht, welches hämisch grinst: “So ihr habt gedacht, ihr kennt mich! Habt Gutachten erstellen lassen und Untersuchungen angestellt. Ihr habt eine Kostenkalkulation? Dagegen habe ich was: Hausschwamm, Porenschwamm, zu Staub zerfallendes Mauerwerk und noch vieles mehr!”
Nur dem intensivsten Einsatz aller verfügbaren Ressourcen ist es zu verdanken, dass heute die Fehrbelliner Straße vollendet ist.
PS: Wir reden alle noch miteinander!!!
Christian Reichhoff