Junostr. 1

Unser erstes Pro­jekt in Reinick­endorf und mit 320 Quadrat­metern Wohn­fläche verteilt auf drei Wohnein­heit­en zugle­ich auch das kle­in­ste Haus der Genossen­schaft.

Biografie eines Gemein­schaft­spro­jek­ts: Junos­traße 1

Unser Haus ist 1909 am Rand der damals entste­hen­den Garten­stadt Frohnau gebaut wor­den. In der Nähe befind­en sich der Herms­dor­fer See und das Tegel­er Fließ. Von unserem Haus aus kann man aus­giebige Spaziergänge bis nach Blanken­felde und darüber hin­aus unternehmen, zugle­ich sind wir durch die S1 gut an die Stadt­mitte ange­bun­den.

Am 8. Feb­ru­ar 1990 kauften die Fam­i­lie Band und Siegfried Wit­tek das Haus für 585.000 DM und grün­de­ten die Wohn­wirtschafts­ge­mein­schaft GbR Junos­traße 1.

Die Finanzierung gestal­tete sich schwierig, da nicht genü­gend Eigenkap­i­tal zur Ver­fü­gung stand. Der Antrag auf Förderung durch den Sen­at aus Mit­teln der „baulichen Selb­sthil­fe“ wurde abgelehnt, da es sich „bei dem Gebäude um eine Vil­la in bevorzugter Lage“ han­delte, das „nicht in einem Gebi­et von beson­derem öffentlichen Inter­esse an der städte­baulichen Entwick­lung“ lag. Die GLS-Bank stellte einen Kred­it in Höhe von 356.000 DM zur Ver­fü­gung. Es blieb eine Finanzierungslücke in Höhe von ca. 100.000 DM, die jedoch inner­halb von drei Monat­en durch zum Teil zinslose Kred­ite von Pri­vat­per­so­n­en geschlossen wer­den kon­nte.

Zu dieser Zeit gab es in dem Haus drei Woh­nun­gen in den bei­den oberen Geschossen und dem zum Teil aus­ge­bau­t­en­Dachgeschoss sowie Gewer­beräum­lichkeit­en im Erdgeschoss. Die Ren­ovierungskosten wur­den auf ca. 200.000 DM geschätzt und waren zunächst nicht finanzier­bar. Erst im April 1993 wurde bei ein­er Lübeck­er Bank der dafür benötigte Kred­it beantragt, so dass die Ren­ovierung begin­nen kon­nte. Dabei wurde das Dach kom­plett neu gedeckt, morsche Balken aus­ge­tauscht, die Kamine neu aufge­mauert, alle Die­len erneuert, Strom‑, Wass­er- und Abwasser­leitun­gen erset­zt.

1997 erfol­gte der Aus­bau der Woh­nung im Erdgeschoss, da der gewerbliche Mieter, eine Ver­sicherung, aus­ge­zo­gen war. Weit­ere Arbeit­en wie die Umgestal­tung des Grund­stücks, Abdich­tung der Keller­wände und Ren­ovierung sowie in Teil­bere­ichen Däm­mung der Fas­saden und Balkone erfol­gten dann zwis­chen 2000 und 2010. Die let­zten Bau­maß­nah­men der GbR waren das Ver­putzen des Trep­pen­flurs und die Ren­ovierung der Trep­pen­stufen­beläge.

Wo es möglich war, erledigten die Bewohner­in­nen und Bewohn­er die Arbeit­en in Eigen­leis­tung. Die vie­len „Bau­woch­enen­den“ gemein­sam mit den Kindern waren Erleb­nisse der beson­deren Art und wirk­ten noch lange nach.

Die finanzielle Lage war bis auf die let­zten Jahre immer anges­pan­nt. Sobald die Umschul­dung eines Kred­its anstand, wurde dieser aufge­stockt. Es gelang, die Pri­vat­dar­lehen zurück­zuzahlen und zulet­zt alle Kred­ite über die GLS laufen zu lassen. Die GbR hat­te nicht das Ziel, alle Kred­ite möglichst schnell zu tilgen, son­dern das Haus nach und nach in einen guten Zus­tand zu ver­set­zen und das Leben in ein­er Wohn­wirtschafts­ge­mein­schaft zu ermöglichen.

Von Beginn an bestanden daher auch Kon­tak­te zur Arbeit­ge­mein­schaft „Baus­parkasse für andere“ (BfA). Diese Arbeits­ge­mein­schaft war 1986 von drei Wohn­wirtschafts­ge­mein­schaften aus Wup­per­tal gegrün­det wor­den, die durch eine Schenkung schulden­frei gewor­den waren. Gle­ichzeit­ig hat­ten sie den Vere­in Wohn­wirtschafts­ge­mein­schaft e. V. gegrün­det, der in den Grund­büch­ern der Mit­glieder der BfA als Mit­ge­sellschafter mit 1,- DM einge­tra­gen wurde. Die drei WWGs nah­men ein Dar­lehen bei der GLS auf, das zur Finanzierung von neuen Pro­jek­ten oder zur Über­brück­ung von Zahlungss­chwierigkeit­en beste­hen­der Pro­jek­te genutzt wer­den sollte. Alle Mit­glieder der BfA, zu denen die GbR Junos­traße 1 nun auch gehörte, leis­teten Beiträge zu soge­nan­nten „Wohnkap­italkon­ten“. Aus dem dadurch gebilde­ten Son­derver­mö­gen der BfA und des WWG e.V. kon­nten die beteiligten WWGs Geld für Zwecke ihrer WWG entwed­er als Dar­lehen, Zuwen­dung oder im Rah­men von Treuhand­kap­i­talvere­in­barun­gen bekom­men.

Das Anliegen der BfA war, einen Freikauf von Grund und Boden und das Zusam­men­leben in Haus­ge­mein­schaften zu ermöglichen. Dies kor­re­spondierte auch mit den Zie­len der GbR Junos­traße 1. Die Gesellschafter der GbR Junos­traße 1 (mit Aus­nahme des Wohn­wirtschafts­ge­mein­schaft e. V.) waren zu gle­ichen Teilen am Gesellschaftsver­mö­gen beteiligt. Alle Entschei­dun­gen wur­den in wöchentlichen Haus­sitzun­gen getrof­fen und waren nur nach dem Prinzip der Ein­stim­migkeit zu fällen. Eine Aufteilung des Wohn­raumes in einzelne Woh­nun­gen fand nicht statt. Der Wohn­raum kon­nte nach Bedarf unterteiltwer­den – was auch immer wieder Wände in Bewe­gung brachte. Die Gesellschafter hat­ten eine Ein­lage zu erbrin­gen, die nicht verzinst wurde. Bei Auszug wurde die Ein­lage inner­halb von zwei Jahren in der erbracht­en Höhe aus­gezahlt. Anfal­l­ende Kosten wur­den unab­hängig von der Höhe der erbracht­en Ein­lage aufgeteilt. Es gab auch keine starre Bindung des Kosten­beitrags an die Größe des genutzten Wohn­raums. Für einige Jahre stand eine kleine Gästewoh­nung für die gemein­schaftliche Nutzung zur Ver­fü­gung.

Nach dem Aus­bau des Erdgeschoss­es zu ein­er Woh­nung lebten zeitweise vier Fam­i­lien mit ins­ge­samt acht Kindern im Haus sowie noch zwei Per­so­n­en in der Remise. Es gab einige Gesellschafter­wech­sel, die let­zte Grün­der­fam­i­lie ist im Herb­st 2002 aus­ge­zo­gen.

Der All­t­ag in der Gemein­schaft war über zwei Jahrzehnte sehr lebendig. Außer der Bauar­beit gab es viele gemein­same Aktio­nen. Man traf sich son­ntags zum Früh­stück oder zum Kaf­feetrinken in ein­er der Woh­nun­gen oder unter der Woche zur Teep­ause im Hof, feierte gemein­sam die Jahres­feste und die Geburt­stage. Die Türen standen eigentlich immer offen, die Kinder (und mit ihnen die Eltern) gin­gen in allen Eta­gen aus und ein. Beson­ders in Erin­nerung bleiben die fast leg­endären som­mer­lichen Haus­feste mit bis zu 250 Gästen.

Mit der Zeit gin­gen aber die Begeis­terung und der Enthu­si­as­mus für solche Aktio­nen zurück. Die früher wöchentlichen Sitzun­gen fan­den sel­tener oder nur noch spo­radisch statt. Die Kinder wur­den erwach­sen, das Bedürf­nis, sich zurück­zuziehen, wurde stärk­er. Durch den Auszug weit­er­er Gesellschafter ging das in gemein­samer Arbeit erwor­bene Gefühl der Zusam­menge­hörigkeit ver­loren.

Nach­dem zwei Gesellschafter 2018 aus­ge­zo­gen waren, wurde deut­lich, dass die GbR Junos­traße 1 in dieser Form wohl keinen Bestand haben wird. Die Bere­itschaft, die Ver­wal­tung zu übernehmen und sich auf neue Gesellschafter einzu­lassen, war bei den verbliebe­nen Gesellschaftern ger­ing aus­geprägt. Daher wandten wir uns mit der Bitte um Beratung an Rolf Novy-Huy, der uns in vie­len Din­gen seit Jahren hil­fre­ich zur Seite stand.

Außer­dem hat­ten wir unser Grund­stück 2011 als Schenkung an die Stiftung trias über­tra­gen, die trias war somit am Pro­jekt beteiligt. Rolf Novy-Huy schlug uns die Selb­st­Bau e.G. vor, die wir zum Glück überzeu­gen kon­nten, uns aufzunehmen. Mit der Über­nahme unser­er Schulden bei der GLS zum Jahreswech­sel 2018/2019 durch die Selb­st­Bau e.G. gehören wir nun­mehr zur Genossen­schaft.

Inzwis­chen gibt es fest eingeteilte Woh­nun­gen und wir zahlen eine definierte Miete statt indi­vidu­ell fest­gelegter Kosten­beteili­gun­gen. Aber wir leben weit­er als Gemein­schaft und freuen uns, in der Genossen­schaft selb­ständig und doch auch Teil ein­er größeren Gemein­schaft zu sein.

Text: Hein­rich Schröder
Foto: Thomas Trutschel pho­totek

Wo eine Vil­la ist, ist auch ein Weg!

Die Junos­traße 1 ist seit dem 1. Jan­u­ar 2019 im Bestand der Genossen­schaft Selb­st­Bau e. G.. Es ist unser erstes Haus­pro­jekt im Berlin­er Stadt­bezirk Reinick­endorf und auch son­st ungewöhn­lich im Ver­gle­ich zu unseren bish­eri­gen Objek­ten. Mit 320 Quadrat­metern Wohn­fläche und drei Woh­nun­gen ist es vor allem das kle­in­ste Haus der Genossen­schaft und unsere erste Stadtvil­la!

Auch ein Haus mit nur drei Woh­nun­gen hat ein Dach, ein Trep­pen­haus, eine Heizungsan­lage und alles andere, was ein Haus an tech­nis­ch­er und baulich­er Ausstat­tung braucht. Bish­er hat­ten die Mit­glieder der GbR Junos­traße 1 sowohl die Voll­sanierung als auch alle weit­eren Instand­hal­tungsar­beit­en allein gestemmt. Mit dem genossen­schaftlichen Nutzungs­be­ginn haben wir engagierte und mit dem Pro­jekt iden­ti­fizierte Genossen­schaftsmit­glieder dazuge­won­nen und ein Klein­od über­nom­men. Dazu gehören dann auch Ver­wal­tungs- und Instand­hal­tungsverpflich­tun­gen.

Zu meinem ersten Ter­min gemein­sam mit Sabine Kibel­ka zum Ken­nen­ler­nen des Haus­es und der Bewohner*innen im Jan­u­ar 2019 gab es Tee und Kuchen und die Führung durch ein ver­winkeltes Haus mit indi­vidu­ellen Grun­dris­sen, die erst­mal ergrün­det wer­den woll­ten. Kaum ein Bad liegt über dem anderen und auf ein­er Etage gibt es zum Beispiel drei Trep­pen auf nur etwa 85 Quadrat­metern Eta­gen­fläche. Die Geheimnisse des Haus­es kon­nten wir mit unseren erfahre­nen Handw­erk­ern allmäh­lich lüften. Die Fir­ma für Heizung, Lüf­tung und San­itär hat in Vor­bere­itung der nöti­gen Instand­hal­tungsar­beit­en in den Bädern die Leitungs­führun­gen ver­fol­gt und doku­men­tiert und der Elek­trik­er ver­sucht, im Nichts endende Kabel zuzuord­nen.

Gle­ich im Jahr 2019 wurde in unserem Auf­trag das Dach gewartet und repari­ert – in diesem Fall eine etwas aufwändi­gere Arbeit als son­st meist, denn auch das Dach ist einiger­maßen ver­winkelt. Das Türm­chen der Vil­la bietet der Fan­tasie Raum, sich ein Schlöss­chen vorzustellen, es bietet aber auch schnöde Angriffs­flächen für Wass­er von oben, was die Dachgeschoss­be­wohn­er dann auch zu spüren beka­men. Das Dach trägt übri­gens neben dem nos­tal­gis­chen Turm auch eine Solaran­lage zur Warmwasser­bere­itung, die sich ener­getisch beson­ders im Som­mer pos­i­tiv bemerk­bar macht, so dass die Bren­nwert­tech­nikheizung im Som­mer kaum zur Warmwasser­bere­itung ansprin­gen muss.

Im Jan­u­ar und Feb­ru­ar 2020 haben wir zwei Bäder saniert, danach die Elek­troin­stal­la­tio­nen über­prüft und repari­ert und eine Wech­sel­sprechan­lage geplant.

Die Maler­ar­beit­en an Kas­ten­dop­pelfen­stern sind abgeschlossen. Die Aufar­beitung der Trep­pen­haus­fen­ster haben wir in die kom­pe­ten­ten Hände unseres Genossen­schaft­stis­chlers Mir­co Stef­fke gelegt. Nach der Reparatur und Neu­ver­glasung kann der Maler ran und der Elek­trik­er schließt seine Arbeit­en ab. Zu guter Let­zt wird das Trep­pen­haus dann in gemein­schaftlich­er Arbeit – im Sprachge­brauch der Genossen­schaft­shäuser gemein­hin als Sub­bot­nik bekan­nt – von den Bewohner­in­nen gestrichen.

Mitbes­tim­mung und Mit­gestal­tung hat­ten sich die Mit­stre­i­t­erin­nen der ehe­ma­li­gen GbR auch für ihren neuen Weg als genossen­schaftlich­es Wohn­pro­jekt gewün­scht. Das Engage­ment der Genossen­schaft wird also wun­der­bar ergänzt durch das Engage­ment der Bewohner*innen … oder umgekehrt.

Text: Heike Pflaume
Foto: Thomas Trutschel pho­totek

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Dieser Text zur Junos­traße 1 wurde in unser­er regelmäßig erscheinende Zeitschrift von Mit­gliedern der Mietergenossen­schaft Selb­st­Bau: “Die Selb­st­Bauerin / Der Selb­st­bauer”; Aus­gabe 11 (Juni 2020) veröf­fentlicht.